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Die Anti-Vitamin-E Studie

Gelegentlich tauchen in Fachzeitschriften und populärwissenschaftlichen Fernsehsendungen Schlagzeilen auf wie "Die Vitamin-Falle" (aktuell auf einsplus) oder "Sterberisiko bei Hochdosis" etc.. Auch in den Köpfen vieler Mediziner hat sich das festgesetzt. Und das alles wegen einer - statistisch unqualifiziert gemachten - Metastudie. Warum?

Generell kann man jeden Stoff überdosieren, auch Vitamine. Bekanntermaßen führen sehr hohe Dosen an Retinol (tierischem Vitamin-A)  zu einer Knochenkrankheit. Da das fettlösliche Vitamin-A -in der aktiven Form- nicht ausgeschieden werden kann. Auch Vitamin-E ist fettlöslich, es kann aber vom Körper nach Bedarf ausgeschieden werden.

Wieviel ist zuviel?

Eine Studie aus dem Jahr 2004 versuchte das zu bewerten [zum Originaltext der Studie Meta-analysis: high-dosage vitamin E supplementation may increase all-cause mortality. ].  Heraus kamen zwar keine negativen Einzel-Beobachtungen, aber in den Gruppen mit recht hoher Einname von "Vitamin E" (> 400 mg) traten etwas mehr Todesfälle auf  ("all cause", also Todesursache nicht erfasst) als in den Gruppen ohne bzw. mit weniger Einnahme.

Vorsichtshalber hat die zuständige EFSA die empfohlene Maximalmenge auf 300mg aTE gesetzt. Wir halten die 300mg/d  für ausreichend und sicher - und schlagen die Einnahme von 100mg (von 50 bis 300mg) vor. Aber bitte nur mit natürlichem Vitamin E und mit einem natürlichem Gemisch.

Die o.g. Studie entlarvt nämlich die Schädlichkeit von synthetischem bzw. Auszugs-Vitamin-E. Es wurde nämlich nur die Gabe von  alpha-Tocopherol alleine untersucht. Das alpha-Tocopherol kann aber die anderen sieben  Bestandteile von Vitamin verdrängen. Die stehen dann für ihre spezialisierten Aufgaben nicht mehr zur Verfügung. Das wusste man vor einigen Jahren offensichtlich noch nicht.

Aus heutiger Sicht war das Ergebnis der Studie also zu erwarten.

Ergänzung 2013:
Es gibt eine weitere Massenstudie mit drastischen Ergebnissen: "SELECT", mit 35000 Teilnehmern mit 400 IU (268 mg TE) synthetischem Vitamin E ( mit und ohne Selen).
Das Ergebnis: 17% mehr Krebs, die Studie wurde abgebrochen.
Das ist gelinde gesagt das Aus für synthetisches Vitamin E. Und der Nachweis und die Erklärung für die Ergebnisse der hier besprochenen "Anti-Vitamin E" Metastudie. Reines alpha-Tocopherol (synthetisch aber auch natürlich) verdrängt Tocotrienole (mit nachgewiesener anti-Krebs-Wirkung) und höhere Tocole (beta, gamma, delta).

Was bedeutet das für Tocotrienole?

In Bezug auf die Tocotrienole wird deren Bedeutung noch unterstrichen. Es wurde nämlich in allen untersuchten Studien ausschließlich alpha-Tocopherol als "Vitamin E" eingesetzt. Hohe Dosen von alpha-Tocopherol alleine können die anderen Vitamin-E Arten (auch die Tocotrienole) verdrängen. [ein Nachweis dazu] Dadurch geht den behandelten Menschen die Wirkung der als wirksam erwiesenen Tocotrienole verloren. Ausserdem wird alpha-Tocopherol selbst zu einem schwachen Radikal, in hohen Dosen kann es also genau gegenteilig wirken.

Die obige Studie unterstreicht, dass die Einnahme von Vitaminen im kompletten natürlichen Verbund erfolgen muss. Im Fall von Vitamin E mit den Tocotrienolen und mit den alpha/beta/gamma/delta Versionen.

Um jedem Gegenargument aus dem Weg zu gehen würden wir aber die Verwendung von Vitamin E und Tocotrienolen auf die 300 mg aTE (veraltet auch 400 IE oder IU)  pro Tag beschränken.

Die von uns zitierten, zum Teil sensationell guten Forschungsberichte basieren fast alle auf  wesentlich niedrigeren Mengen (von 80 bis 400 mg Tocotrienolen pro Tag, entsprechend etwa 14 bis 65 aTE-Äquivalenten ).

Kritik an der Studie

Allerdings wurde die Studie auch statistisch einfach schlecht gemacht. Offensichtlich sind manche Mediziner schlechte Statistiker.

Warum?

  1. Es handelt sich um eine Meta-Analyse, also eine Studie, die versucht die Daten vieler anderer Studien zusammenzufassen. Von 2170 Vitamin-E Studien wurden aber nur ganze 19 ausgewählt (0,9 Prozent). Die Auswahl der Urdaten hat selbstverständlich Einfluss auf die Ergebnisse. Hier ein Link zur [Beschreibung des Auswahlverfahrens] .
  2. Das Endergebnis der Studie war die Anzahl der Todesfälle. Allerdings wurden bei der Auswahl der Daten nur solche ausgewählt, in denen mehr als 9 Todesfälle aufgetreten waren. Das ist das KO für die Studie. Man kann nicht nur Studien mit Todesfällen auswerten und dann herausfinden, dass welche waren.

Eine andere kritische Zusammenfassung hier: [Annals.org Artikel]

Die Bielacovic Anti-Antioxidant Studie

In dieser weiteren Meta-Studie aus 2007 Volltext(engl) wurden wiederum die Daten vieler anderer Studien ausgewertet. Nach einem komplizierten Auswahlprozess wurden diese Datenquellen zunächst mal aussortiert (zur Grafik, wie). Wieder wurden über die Hälfte (405 Studien mit 40000 Teilnehmern) der Studien ausgeschlossen - weil keine Todesfälle aufgetreten waren (diesmal allerdings in beiden Gruppen). Wieder wurden viele Studien mit extrem kranken und alten Menschen mit aufgenommen, die für die Allgemeinbevölerung nicht aussagekräftig sein können. Das Ergebnis für alle Antioxidantien: kein statistisch feststellbarer Einfluss auf die Sterblichkeit (also auch nicht auf geringere Sterblichkeit).

Danach wurde ein Teil der Studien in eine eigene Gruppe ausgelagert, genannt "high Bias risk" - etwa: "weniger vertrauenswürdig"(!). Diese Gruppe zeigte eine um 9% geringere Sterblichkeit durch die Antioxidantien an ( "high-Bias risk" Übersichtsbild. )!

Dadurch erhielten die restlichen Studien nun eine um 5% höhere Sterblichkeit ("low-Bias risk" Übersichtsbild) .

Wenn man die Eingangsdaten nur lange genug manipuliert, bekommt man jedes gewünschte Ergebnis. Warum war denn die erste Auwahl nicht gut genug? Leider erinnert das an den Grundsatz "nur eine Statistik, die ich selbst gefälscht habe...". Absicht möchten wir den Autoren nicht unterstellen - aber Wünsche schon.

Sind die Daten überhaupt für Statistik zu Todesfällen geeignet? Die Originalstudien wurden meist mit alten und kranken Menschen gemacht. Da kann es leicht sein, dass einer während der Studie verstirbt. Bei kleinen Gruppen (z.B.15, siehe die 2 Übersichtsbilder) kommt sofort ein erhebliches Todesfallrisiko heraus. Statistisch. In Wirklichkeit hat eben die eine oder andere Gruppe "Glück gehabt". Einer bekommt den, der sterben wird bei der Auslosung. Ohne statistischen Zusammenhang.

Bei Studien mit sehr vielen Teilnehmern gleicht sich der Effekt aus.

Blot    1993 (n~29000) Sterblichkeit mit Antioxidantien 6% geringer.

GISSI 1999 (n~11000) Sterblichkeit mit Antioxidantien 8% geringer.

You 2001 (n= 2*1706) Sterblichkeit mit Antioxidantien 12% geringer.

Zusammenfassend: Es gilt dasselbe wie oben zu der ersten Metastudie schon angemerkt. Die Wichtigkeit der Tocotrienole und von vollständigen Vitamin-Komplexen wird unterstrichen.

Die Bielacovic  Studie arbeitete mit falschen Zahlen

Zu den handwerklichen Fehlern kam noch ein faktischer hinzu. Es wurden falsche Zahlen aus der Studie von Brown et al zitiert.

Text dazu

Sicherheit zuerst - Bewertung der Metastudien

Trotz aller Kritik an diesen Studien sollte man sich in gesundheitlichen Fragen immer mit grösstmöglicher Sicherheit bewegen.

Man kann leicht auf der sicheren Seite bleiben - indem man die Vitamin-E Einnahme auf unter 400mg/Tag beschränkt. Die kritischen Ergebnisse liegen nur bei > 400 IU vor. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) schlägt als sichere Obergrenze bei lebenslanger täglicher Einnahme 300mg/Tag aTE vor.

300 mg aTE (Äquivalente), der EFSA-Maximalwert entsprechen:
natürliches alpha-Tocopherol 300 mg
synthetisches (all-rac dl-)alpha-Tocopherol-acetat 447 mg
alpha-Tocotrienol 990 mg
gamma-Tocotrienol 3960 mg
delta-Tocotrienol eine sehr große Menge (ca 30 g)
natürliche TRF aus Palmöl mit 51% Vitamin E-Isomeren (Tocomin) 1,83 g
Weizenkeimöl 173 g

Wir würden den Maximalwert der EFSA vorsichtshalber nochmal halbieren.

Alle von uns erwähnten Studien mit Tocotrienol-Vitamin-E kamen übrigens mit wesentlich niedrigerer Dosierung aus (80 bis 400 mg Tocotrienole pro Tag, entsprechend etwa 14 bis 65 aTE-Äquivalenten ).